Es beginnt mit einem Bergrutsch, kaum sichtbar. Dann splittert Asphalt, ein Pfeiler gibt nach – und plötzlich stürzt ein Teil der riesigen Hongqi-Brücke in die Tiefe. In Sichuan, im Südwesten Chinas, reißt am 11. November 2025 ein spektakulärer Einsturz Millionen Menschen aus dem Alltag. Verletzt wird niemand, doch der Schock sitzt tief: Wie konnte eine fast neue Brücke so schnell versagen?
Hongqi-Brücke Sichuan – der Name sollte für Fortschritt stehen, für ein beeindruckendes Stück Ingenieurskunst in Chinas Südwesten. Jetzt steht er für Staub, Erdrutsch und eine eingestürzte Hoffnung. Nur Monate nach der Fertigstellung hat sich das Bauwerk in Teilen in den Dadu-Fluss verabschiedet. Bilder des Einsturzes gingen viral, zurück bleibt eine zentrale Frage: Wie konnte das passieren?
Ein Riss, ein Hang – und dann fiel alles
Am Dienstagnachmittag war es soweit: Ein Abschnitt der über 750 Meter langen Brücke stürzte ein. Genauer gesagt: Er krachte an einem der Flussufer einfach weg. Vor dem Ereignis war der Verkehr bereits gestoppt – zum Glück, denn niemand wurde verletzt.
Die Behörden in Barkam hatten kurz zuvor Risse im Asphalt entdeckt. Rund zehn Zentimeter breit, dazu ein instabiler Hang, nur 30 Meter vom Brückenkopf entfernt. Das genügte bereits als Alarmzeichen – und führte zur Sperrung. Aber nicht, um das Schlimmste zu verhindern.
In sozialen Netzwerken kursierten schnell Videos. Sie zeigen, wie sich der Boden löst, wie Pfeiler nachgeben und wie eine Staubwolke die Luft verschluckt. Die Hongqi-Brücke Sichuan fällt – langsam, aber unwiderruflich.
Die Zufahrtsstraße war ebenfalls betroffen, verschüttet von den abrutschenden Erdmassen. Offenbar konnten die 172 Meter hohen Pfeiler der enormen Belastung nicht mehr standhalten. Vom staatlichen Bauunternehmen, der Sichuan Road & Bridge Group, kam zunächst kein Wort. Auf der Website: kein Hinweis, kein Bild.
Der Bau war jung – das Vertrauen jetzt alt
Gerade einmal zehn Monate war die Brücke alt. Anfang 2025 wurde das letzte Segment geschlossen, damit galt der Bau als abgeschlossen. Die Hongqi-Brücke Sichuan verband das chinesische Kernland mit Tibet – über die Autobahn 317, eine bedeutende Verkehrsader.
Technisch war das Projekt ein Riese: fast 760 Meter Länge, 220 Meter Hauptspannweite, Pfeiler hoch wie Hochhäuser. Und doch genügte ein geologischer Impuls, um alles aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Experten sprechen von einem Erdrutsch. Ob dieser allein verantwortlich ist, bleibt offen. Behörden untersuchen aktuell das Gebiet – geologisch und statisch. Klar ist: Der Hang war instabil, das war bekannt. Nur war niemand vorbereitet auf das Tempo der Veränderung.
Noch im Januar war von einem „Meilensteinprojekt“ die Rede. Jetzt steht die Hongqi-Brücke Sichuan symbolisch für ein anderes Kapitel: fehlendes Risikomanagement, verpasste Kontrollen – und ein Staat, der bei der Qualität seiner Großprojekte zunehmend in der Kritik steht.
Ein Bauunternehmen mit Geschichte – und Schatten
Die SRBG – Sichuan Road & Bridge Group – ist in China kein unbeschriebenes Blatt. Das Unternehmen wurde 1998 gegründet, hat seither Brücken, Tunnel und Bergstraßen in halb Asien gebaut. Und stand schon mehrfach unter Beobachtung.
Im Sommer 2023 starben bei einer Sturzflut in Jinyang sechs Menschen. Ein Arbeiterwohnheim war betroffen – betrieben von SRBG. Die Firma hatte laut Untersuchungsbericht Flächen in der Nähe eines Flusses genutzt, obwohl Warnungen vorlagen. Die Evakuierung kam zu spät. 46 Menschen galten als vermisst.
Die Konsequenzen waren deutlich: Ermittlungen, Verhaftungen, Strafen für Dutzende Parteikader. Der Ruf: beschädigt. Die Hongqi-Brücke Sichuan war auch eine Art Wiedergutmachung – ein Versuch, sich zurück in die Erfolgsspur zu bringen. Doch mit dem Einsturz steht das Unternehmen wieder am Pranger.
2024 stürzte eine Brücke in Shaanxi nach heftigen Regenfällen ein. 38 Menschen starben. Ein Jahr später versagte die Jianzha-Brücke über den Gelben Fluss – zwölf Tote.
Der Vorwurf ist stets ähnlich: Tempo schlägt Kontrolle. Projekte müssen schnell fertig sein, politische Zielvorgaben stehen über technischer Sorgfalt. Wer mahnt, stört. Wer schweigt, baut – oft zu schnell.
Was bestehen bleibt – und wo Veränderungen überfällig sind
Der Einsturz der Hongqi-Brücke in Sichuan wirft erneut die Frage auf: Wie sicher sind Chinas Großprojekte? Laut staatlichen Angaben wurden 2024 über 14.000 Arbeitsunfälle auf Baustellen registriert – viele mit tödlichem Ausgang.
Die Ursachen sind bekannt. Fachleute der Bauuniversität Peking nennen sie offen: schlechte Planung, unzureichende Aufsicht, politische Übersteuerung. Qualität wird oft dem Zeitplan geopfert. Die Folge: Infrastrukturen, die auf dem Papier glänzen, in der Realität aber wackeln.
Noch gibt es keine offizielle Stellungnahme des Bauunternehmens zum Vorfall. Auch keine Entschuldigung. In der Bevölkerung wächst der Frust – gerade in den sozialen Medien, wo Nutzer mit Sarkasmus und Wut auf das „Millionenprojekt aus Sand“ reagieren.
Wie es mit der Hongqi-Brücke in Sichuan weitergeht, ist derzeit noch offen. Ob ein Wiederaufbau folgt, ob Verantwortliche Konsequenzen tragen – das steht alles offen. Was sicher ist: Vertrauen lässt sich nicht betonieren. Es wächst mit jedem Tag, an dem Technik hält, was sie verspricht.
Und dieses Vertrauen hat am Dadu-Fluss einen tiefen Riss bekommen – so tief wie der, der sich am Montag im Asphalt gebildet hatte.