Die Fernbedienung liegt ungenutzt herum, Streaming dominiert – alte Fernsehroutinen lösen sich still und leise auf. Streaming ist längst Alltag, besonders für die Jüngeren. Nun erwischt der Umbruch einen Sender, der ganze Kindheiten geprägt hat – nach 27 Jahren droht das Aus eines weiteren TV-Klassikers. Und diesmal betrifft es sogar die Kleinsten.
KiKA-Abschaltung – zwei Worte, die klingen, als ginge ein Stück Kindheit verloren. Ein Sender, mit dem Generationen groß wurden, steht vor einer grundlegenden Veränderung. Nach fast drei Jahrzehnten könnte das vertraute Kinderfernsehen aus dem linearen Programm verschwinden und nur noch online existieren. Was wie ein technischer Schritt klingt, markiert in Wahrheit einen tiefen Wandel: das Ende einer Gewohnheit, die ganze Familien geprägt hat.
Vom festen Sendeplatz zum grenzenlosen Stream
Wer in den 2000ern aufgewachsen ist, kennt sie noch – diese Vorfreude auf den Nachmittag, wenn endlich die Lieblingsserie lief. Kein On-Demand, kein Skip-Button, kein Binge-Watching. Wenn „Tabaluga“, „Logo!“ oder „Schloss Einstein“ vorbei war, wurde der Fernseher kurzerhand ausgeschaltet. Diese ritualisierte Einfachheit verschwindet – und mit ihr eine Ära des Wartens, Staunens und Planens.
Heute läuft Unterhaltung rund um die Uhr. Kinder klicken sich durch Mediatheken, swipen von „Peppa Pig“ zu „Bluey“ und streamen, wann immer sie wollen. Was früher ein Ereignis war, ist heute nur ein Klick.
Genau hier setzt die geplante KiKA-Abschaltung an. Der Reform-Staatsvertrag der Länder will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk modernisieren – und das bedeutet: weniger lineare Sender, mehr Online-Angebote. Künftig sollen Formate ausschließlich über Internetplattformen, Apps und Mediatheken verfügbar sein.
Eltern, die mit der Fernbedienung groß wurden, müssen sich umgewöhnen. Kein Kika mehr über Satellit, Kabel oder Antenne – sondern digital, mobil und jederzeit abrufbar. Das ist praktisch, keine Frage, aber es bricht mit einer jahrzehntelangen Tradition des gemeinsamen Fernsehens.
Der Reform-Staatsvertrag verändert alles
Was steckt konkret hinter der Reform? Der sogenannte Rundfunkstaatsvertrag wurde von allen Bundesländern gemeinsam entwickelt und soll ab dem 1. Dezember 2025 gelten – vorausgesetzt, alle Landtage stimmen zu. Die Idee: ARD und ZDF sollen ihre Angebote bündeln, verschlanken und stärker auf die digitale Nutzung ausrichten. Spartensender wie der Kinderkanal stehen dabei besonders im Fokus.
Die KiKA-Abschaltung ist Teil dieses Plans. Ziel ist es, Inhalte weiterhin zu produzieren, sie aber anders zu verbreiten – ausschließlich im Netz. Das Fernsehen im klassischen Sinn, mit festen Sendezeiten und linearem Programm, verliert dabei seine Bedeutung.
Noch läuft der Übergang. Zum 18. November endet bereits die SD-Ausstrahlung des Senders über Satellit, und bis zur endgültigen Abschaltung wird geprüft, wann die Mehrheit der Zuschauer tatsächlich auf digitale Formate umgestiegen ist. Ein Stichtag soll vermieden werden, um niemanden plötzlich abzuschneiden.
ARD und ZDF betonen, die Umstellung sei kein Sparzwang, sondern ein Schritt in die Zukunft. Doch zwischen den Zeilen schwingt mit: Auch Kosten spielen eine Rolle. Lineare Verbreitung ist teuer, digitale Distribution deutlich günstiger. Gleichzeitig sollen Doppelstrukturen abgebaut werden – weniger Textangebote im Internet, weniger Spartensender, mehr Effizienz.
Der Rundfunk soll moderner werden. Und doch bleibt der Eindruck, dass hier mehr als nur Technik umgebaut wird: Es ist das Selbstverständnis des Fernsehens, das sich wandelt.
Was die Zuschauer erwartet
Viele Eltern fragen sich: „Was bedeutet das konkret?“ Zunächst einmal: keine Panik. Die KiKA-Abschaltung passiert nicht über Nacht. Es wird eine Übergangsphase geben, in der die Inhalte parallel online und im TV verfügbar bleiben. Doch langfristig soll das klassische Kinderfernsehen aus dem täglichen Programm verschwinden.
Das klingt radikal, ist aber Teil eines größeren Trends. Schon heute nutzen Kinder Tablets und Smartphones häufiger als den Fernseher. Laut Medienforschung konsumieren unter 14-Jährige ihre Lieblingsformate zu über 80 Prozent online. Der Sender zieht also dorthin, wo sein Publikum längst ist.
Trotzdem sorgt die Entwicklung für Wehmut. KiKA war für viele Eltern ein sicherer Hafen – pädagogisch wertvoll, werbefrei, vertrauenswürdig. Während Streamingplattformen mit bunten Algorithmen locken, bot der Sender Orientierung. Formate wie „Wissen macht Ah!“, „Logo!“ oder „Die Sendung mit der Maus“ verbanden Unterhaltung und Bildung – ein Konzept, das sich im Netz erst noch behaupten muss.
Mit der Reform stellt sich die Frage: Wird der neue, digitale KiKA dieselbe Wirkung entfalten? Oder verliert er im grenzenlosen Streaming-Universum seine klare Identität? ARD und ZDF betonen, sie wollen die Marke erhalten, nur die Ausspielwege verändern. Wie gut das gelingt, hängt davon ab, ob Familien den Schritt ins Digitale mitgehen.
Zwischen Fortschritt und Nostalgie
Noch ist nichts endgültig entschieden. Drei Bundesländer – Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen – müssen dem Vertrag noch zustimmen. In anderen Regionen, etwa Sachsen, war die Zustimmung knapp. Sollte ein Landtag „Nein“ sagen, müsste neu verhandelt werden. Doch die Richtung steht fest: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk will schlanker, digitaler, effizienter werden.
Die KiKA-Abschaltung ist dabei Symbol und Symptom zugleich. Symbol für eine Zeit, in der Medienkonsum völlig neu gedacht wird. Symptom für ein System, das nach Jahrzehnten an seine Grenzen stößt.
Die Reform bringt Chancen. Inhalte können flexibler, schneller und individueller ausgespielt werden. Kinder greifen auf Lerninhalte zu, wann immer sie Interesse oder Neugier verspüren. Aber sie bringt auch Verluste. Gemeinsames Fernsehen am Nachmittag, feste Routinen, ein klarer Rahmen – all das verschwindet leise.
In gewisser Weise schließt sich ein Kreis: Als der Kinderkanal 1997 startete, war er selbst ein Aufbruch in die Zukunft – ein modernes Gemeinschaftsprojekt von ARD und ZDF, das Bildung und Unterhaltung vereinte. Heute, fast 30 Jahre später, steht er wieder am Wendepunkt. Nur diesmal bedeutet Fortschritt Abschied.
Noch läuft KiKA, noch leuchten die bunten Figuren über den Bildschirm. Doch die Weichen sind gestellt. Schon bald erklingt das Kinderlachen nicht mehr aus dem Fernseher, sondern aus der digitalen Wolke. Und mit der KiKA-Abschaltung endet nicht nur ein Sender – es endet ein Stück Fernsehkultur, das viele von uns geprägt hat.