Die Verbindung Grupp und Hertha BSC begann mit großen Erwartungen – und endete in einem Lehrstück über Loyalität, Macht und Geld. Anfang der 1990er Jahre war die Euphorie riesig. Deutschland wuchs zusammen, Berlin wollte zur Hauptstadt des Sports werden, und Trigema sah die Chance, sein Logo in der Bundesliga zu platzieren. Was als Erfolgsgeschichte startete, verwandelte sich in ein Spiel um Einfluss, Missverständnisse und verletzte Prinzipien.
Ein Millionendeal mit Folgen
Nach der Wiedervereinigung wurde Berlin zum Magneten. Politiker, Unternehmer, Investoren – alle sahen in der neuen Hauptstadt ein Symbol für Aufbruch. Auch Wolfgang Grupp, Inhaber des Textilunternehmens Trigema, erkannte das Potenzial. Das Unternehmen war längst im Sport bekannt, hatte Tennisspieler und Fußballvereine gesponsert. Der Einstieg bei Hertha BSC schien da nur folgerichtig.
Die Konditionen waren happig. „Hertha BSC war für ihre sportliche Leistung nicht gerade günstig“, erinnerte sich Grupp später. 800.000 Mark pro Saison – ein stolzer Betrag für einen Klub, der bald aus der Bundesliga absteigen sollte. Doch Grupp dachte langfristig. Die Hauptstadt versprach Reichweite, und Trigema wollte in den Westen hineinwachsen.
Ein Kompromiss wurde gefunden: Der Vertrag sollte auch in der 2. Liga gelten – für deutlich geringere 100.000 Mark pro Saison. Dann der Schock: Hertha steigt ab, steht kurz vor dem Lizenzentzug. „Sie brauchten 1,5 Millionen Mark, dringend“, erzählte Grupp dem Trikotmagazin. Er half – zahlte die Summe über fünf Jahre verteilt und sicherte dem Klub so das Überleben. „Es war eine faire Lösung“, so Grupp. „Und es war eine hervorragende Werbung für uns.“
Die Geschichte Grupp und Hertha BSC klang da noch nach einer Partnerschaft, die auf Vertrauen basierte. Doch schon bald sollte sich alles ändern.
Machtwechsel, Missgunst und ein Vorwurf
Mit dem Einstieg von Bertelsmann und der UFA in die Vermarktung der Bundesliga änderte sich der Ton in Berlin. Die UFA übernahm Einfluss, stellte eigenes Personal, sprach von einem „Hauptstadtklub“ und drängte alte Strukturen beiseite. Auch der Präsident, mit dem die Grupp den Vertrag geschlossen hatte, war plötzlich nicht mehr im Amt.
Dann kam der Bruch. „Ich bekam ein Schreiben, der Vertrag sei sittenwidrig“, erinnert sich Grupp. „Man warf mir vor, eine Notsituation ausgenutzt zu haben.“ Für den Unternehmer war das ein Schlag ins Gesicht. Er hatte geholfen, als andere wegesahen – und nun unterstellte man ihm, unredlich gehandelt zu haben.
„Ich fand das eine große Frechheit“, sagte er später. „Ich habe es auf den Prozess ankommen lassen – und ihn gewonnen.“ Der Vertrag blieb bestehen, doch die Beziehung war vergiftet. Man sprach kaum noch miteinander. Die einst stolze Allianz Grupp und Hertha BSC wurden zum Symbol dafür, wie schnell Vertrauen im Profifußball zerbrechen kann.
Während hinter den Kulissen die Machtkämpfe tobten, schossen die Sponsoringpreise in die Höhe. Vereine verlangten Millionen, neue Medienkonzerne trieben die Summen immer weiter. Trigema zahlte weiterhin 300.000 Mark pro Saison – ein Betrag, der plötzlich als „zu gering“ galt. Für Grupp ein Zeichen, dass Loyalität im Sportgeschäft kaum mehr zählte.
Der Bruch mit dem System
Als Dieter Hoeneß, damaliger Manager von Hertha, um eine vorzeitige Vertragsauflösung bat, war für Grupp das Maß voll. „Ich habe erkannt, dass unsere Zeit als Sponsor vorbei ist“, erklärte er. Der Markt hatte sich verändert. Partnerschaften, die einst auf Fairness beruhten, waren durch Auktionen ersetzt worden. „Wer mehr bietet, gewinnt. Der Rest wird aussortiert.“
Für den Familienunternehmer war das unvorstellbar. Er wollte Partner, keine Bieter. Und so endete 1997 eine Ära: Trigema zog sich komplett aus dem Bundesliga-Sponsoring zurück. Kein Ärger, keine Trikots, kein Wettbewerb mehr um Summen, die für ihn absurd wirkten.
Den Werbewert stellte er nie infrage. „Es war eine tolle Werbung. Wir wurden bundesweit bekannt. Aber irgendwann passte das System nicht mehr zu uns.“ Die Worte klingen ruhig, fast nüchtern – und doch steckt darin Wehmut.
Die Geschichte Grupp und Hertha BSC war für ihn mehr als ein Geschäft. Sie stand für Loyalität in einer Zeit, in der der Sport begann, sich in Zahlen zu verlieren. Grupp war Unternehmer alter Schule. Handschlag, Wort, Vertrauen – das zählte. Und als genau das verschwand, verschwand auch er.
Vom Hauptstadttraum zur Lehre fürs Leben
Berlin wollte Prestige, Hertha wollte Größe und Trigema wollte Sichtbarkeit. Für eine Weile funktionierte das. Doch Machtwechsel, Eitelkeiten und Geldgier ließen aus Partnern Gegner werden. „Ich wollte nie der sein, der mitspielt, wenn andere nach Millionen rufen“, sagte Grupp. „Ich wollte fair bleiben.“
Auch heute, Jahrzehnte später, spricht er mit spürbarem Stolz über diese Zeit. Nicht weil sie perfekt war, sondern weil sie Werte offenbarte, die heute selten geworden sind. Der Fall Grupp und Hertha BSC zeigt, wie schmal der Grat zwischen Kooperation und Konflikt ist – und wie schnell sich Loyalität in Misstrauen verwandeln kann.
Der Unternehmer aus Burladingen ist seinen Prinzipien treu geblieben. Er produziert noch immer ausschließlich in Deutschland, steht für Verlässlichkeit und Klarheit. Im Rückblick sieht er das Berliner Abenteuer als Lektion: „Wenn Geld alles bestimmt, bleibt kein Platz mehr für Vertrauen.“
Vielleicht liegt darin die eigentliche Geschichte: Ein Mann, der gegen den Strom schwamm, weil er an Fairness glaubte. Ein Sponsor, der half, als Hilfe gebraucht wurde – und den das System dafür fast bestrafte. Und ein Unternehmer, der verstand, dass Anstand und Erfolg nur zusammen funktionieren, wenn beide Seiten das Gleiche darunter verstehen.